Aya ist ein junges Mädchen aus Syrien. Als sie ihre Geschichte erzählt, muss sie weinen. Mit ihrer Familie ist sie nach Jordanien geflohen. Wenig später wird sie von einer professionellen Heiratsvermittlerin mit einem wohlhabenden saudischen Mann verkuppelt. Ganz offensichtlich dient im Hintergrund eine arabische Hilfsorganisation als Kontaktbörse. Aya ist 16, ihr Ehemann 70. Umgerechnet 1.500 Euro hat der saudische Geschäftsmann an die Flüchtlingsfamilie bezahlt. Nach wenigen Wochen wird die Ehe geschieden. Einige Tage später sucht die Vermittlerin einen neuen Mann für die junge Frau. Aya teilt ihr Schicksal mit vielen syrischen Flüchtlingskindern, die aus finanzieller Not von ihren Familien in die Prostitution gedrängt werden.
Umm Magid ist Heiratsvermittlerin. Das wurde sie erst, nachdem sie aus Syrien nach Jordanien geflohen war. Heute hat sie eine schäbige Wohnung in Amman und von irgendwas muss sie ja leben. Also Heiratsvermittlerin. Für die jungen Frauen wird Umm Magid bald auch einen Bräutigam suchen. Aber nicht sofort. Denn beide sind eben erst geschieden. Sie sind 16 und 17 Jahre alt. Ghazal und Aya. Für das Interview möchten die Mädchen – oder junge Frauen – das Gesicht lieber verschleiern. Beide waren nur knapp einen Monat verheiratet, hatten ihren Ehemann vorher nie gesehen. Beide Männer kamen aus Saudi-Arabien. Ghazals Mann war 48 und Ayas Mann war 70 Jahre alt. „Er hat mich zu bestimmten Dingen gezwungen, es war immer nur Zwang“, sagt Aya. „Manchmal habe ich mich schlafend gestellt. Er wollte immer nur das eine von mir. Alle wollen nur das eine. Sie heiraten uns aus einem ganz bestimmten Grund.“ Und Ghazal ergänzt: „Mein Ehemann hat meiner Familie das Brautgeld gegeben, 1500 Dinar, umgerechnet 1600 Euro. Er hatte nochmal so viel versprochen, aber nie gezahlt. Wenn ich es nicht gemacht hätte, hätten sie uns aus der Wohnung geworfen.“ Ghazals Mutter schweigt dazu. Und schämt sich.
Der Krieg in Syrien hat eine weitere Form des Elends geschaffen: junge syrische Frauen verkaufen sich, damit ihre Familien leben können. Es heißt Ehe, aber es ist Prostitution. Nichts anderes. Umm Magid und Ghazal haben wir schon einmal besucht, vor drei Monaten. Vor Ghazals erster Ehe. Damals war die junge Frau ängstlich, aber auch irgendwie optimistisch. Sie wusste nicht, was sie erwartet. Ghazals Mutter war wütend.
Umm Magid unterwegs zur nächsten Familie. Es läuft meist nach dem gleichen Muster. Am Anfang sind die Männer nett, das Brautgeld wird vereinbart, der Ehevertrag gemacht und es gibt viele Versprechungen: die ganze Familie werde nach Saudi-Arabien in eine schöne Wohnung kommen. Raus aus solchen Löchern. Nach ein paar Wochen im Hotel oder einer billigen Mietwohnung ist dann alles vorbei und die Mädchen sind geschieden. Rhim ist auch gerade mal 16. Die nächste Kandidatin. Fünf Kinder muss Rhims Mutter in der Fremde allein durchbringen. Rhim will Tee kochen für den Gast. Aber das Gas ist aus und Geld haben sie auch keines mehr. Dann gibt es eben Wasser.
Alle Beteiligten wissen, dass eigentlich falsch ist, was hier passiert. Aber Ghazal wird wohl wieder heiraten, Umm Magid wird diese Ehe wieder anbahnen und Ghazals Mutter wird wieder schweigen. Es ist Krieg und da gelten andere Regeln als im Frieden. Nur die Not treibt die Frauen, zu tun, was sie tun müssen.
Produktion
Produktionsdatum: Juni 2013
Redakteur: Volker Schwenck
Kamera: Jürgen Killenberger
ARD-Studio Kairo / BildManufaktur Kairo
Weitere Informationen
Sendetermin
ARD: SO, 16.06.2013 19:20 Uhr

