ARD: Weltspiegel – Ägypten: Die Künstler des Aufstands
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Von Anfang an, seit mehr als zwei Jahren, haben sie die Revolution begleitet und befeuert: Kairos Straßenkünstler. Ihre Graffitis zieren den Tahrir-Platz und weitere Schauplätze des Aufstandes zuerst gegen Hosni Mubarak und jetzt Mohamed Mursi und sein islamistisches Regime. Auch am vergangenen Freitag waren sie wieder an den Protesten beteiligt. Sind sie enttäuscht von der Entwicklung der vergangenen zwei Jahre? Wie sehen sie ihre Zukunft und die ganz Ägyptens? Volker Schwenck hat eine Gruppe von ihnen begleitet.

Für Karim Mohamed sind Wut und Verzweiflung alltägliche Gefühle geworden. Heute ist er  20, seit zwei Jahren lebt er mit der Revolution. Das Ägypten Mubaraks, im dem Karim groß geworden ist, ist vergangen. Proteste gegen die Muslimbrüder und die vielstimmigen Rufe nach Freiheit begleiten ihn jeden Tag. Karim hat seinen persönlichen Ausdruck für die Revolution gefunden. Er sprayt Graffitis an die Wände. Karim glaubt noch an die Revolution und daran, dass am Ende ein freies und gerechtes Ägypten stehen wird. „Das Volk muss jetzt endlich seine Rechte bekommen, darum geht es. Erst dann kann jeder zufrieden sein. Und erst dann ist unser Land  kein hässliches Land mehr. Dann wird keiner mehr arm sein und vieles wird verschwinden, worunter wir heute leiden.“

 

Große Worte der Regierung

Ägypten hat eine blutige Woche hinter sich. Fast 60 Menschen starben. Damit soll Schluss sein. Vertreter der wichtigsten Parteien und der koptischen Christen treffen sich  an der Al Azhar-Universität. Man beschließt ein gemeinsames Papier, das die Gewalt beenden soll.  Das Wort des Al Azhar-Scheichs zählt noch in diesem zerstrittenen Land. Von einer historischen Übereinkunft ist die Rede.

Große Worte. Viele Junge glauben großen Worten nicht mehr, sagt Karim. Zuhause mit seinem Bruder zeigt er stolz seine Graffiti-Entwürfe. Es wird so viel geredet, meint er, so viel demonstriert, aber nichts passiert. Nach zwei Jahren werden die Jungen ungeduldig. Karim sucht nach dem richtigen Ausdruck für all das, was ihn gerade umtreibt. Die Frustration und die Wut  nach dieser blutigen Woche in Ägypten. „Es gab so viele Tote, das war eine ganz schlimme Situation für Ägypten. Jetzt sind alle zornig, verzweifelt  und zutiefst enttäuscht. Nur  weil sie ihre Rechte einfordern, mussten so viele Menschen sterben. Ich will das irgendwie zeigen in meiner neuen Arbeit, denn unser Blut ist ganz billig, unser Blut ist wirklich nichts wert in diesem Land.“

 

Graffiti als Provokation

Freitagabend. Steine auf den Präsidentenpalast. Die Sicherheitskräfte antworten mit Tränengas und scharfer Munition. Ein junger Mann, kaum älter als Karim, wird erschossen. Und wieder wird die Welt Zeuge der Brutalität der ägyptischen Polizei: ein Demonstrant wird entkleidet und, nackt am Boden liegend, verprügelt und getreten. Es ist immer die Polizei, die anfängt, meint Karim. Die Fronten sind völlig verhärtet in Ägypten. Die Staatsmacht und ein großer Teil der Bürger trauen sich gegenseitig nicht über den Weg. Eine ausweglose Situation, die immer nur neue Gewalt produziert. An der Wand des Cafés Bilder sogenannter „Märtyrer“– Menschen, die für die Revolution in Ägypten starben. „Wenn du einen provozierst, der zornig ist, dann schlägt der zurück. Wenn so was passiert, dann explodiert man. Ist doch klar.“

Die Jungen werden ungeduldig. Es ist genug geredet, vielleicht sogar genug friedlich demonstriert. Karim bringt mit seinen Freunden sein Graffiti an, das Bild, das für ihn die derzeitige Situation am besten ausdrückt. Präsident Mursi muss weg. Die Muslimbrüder müssen weg. Diese Regierung muss weg. „Nochmal – ich bin gegen Gewalt, aber jede Aktion erfordert eine Reaktion. Und wenn die Regierung Gewalt ausübt, dann werden die Revolutionäre sicher nicht ruhig bleiben, die werden entsprechend deutlich antworten.“ Auf Arabisch reimt sich Karims Spruch an der Wand. Etwas frei übersetzt heißt er: „Ein Präsident, dem mein Blut nichts wert ist, der muss gestürzt werden.“ Präsident Mursi sollte die Mahnung ernst nehmen.

 

(Auszug aus dem Pressetext)

Produktion

Produktionsdatum: Oktober 2012

Autor: Thomas Aders

Kamera: Jürgen Killenberger

 

Sendetermine 

ARD: SO, 03.02.2013 19:20

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