Die Malediven verkörpern wie kaum ein anderes Urlaubsland die Sehnsucht vieler Menschen nach exotischer Südseeromantik. Einer türkis-schimmernden Perlenkette gleich erstrecken sich 1196 Inseln mitten im Indischen Ozean über eine Meeresfläche von der Größe Portugals. Knapp eine Million Touristen zieht es jährlich in diese paradiesische, wie von Künstlerhand erschaffene Traumkulisse. Doch während sich die meist wohlhabenden Gäste aus aller Welt in rund 100 Luxusressorts nach 5-Sterne-Manier mit Champagner und exklusiven Wellness-Angeboten verwöhnen lassen, lebt die einheimische Bevölkerung separiert von den Touristen auf eigenen Inseln unter einfachsten Bedingungen. Die Malediven sind inzwischen wie kaum ein anderes Land voller Widersprüche aus Tradition und Moderne, Alkoholverbot und Cocktailgelagen, Naturschutz und Umweltbelastung. Der kleine Inselstaat steht mehr denn je vor seinen größten Herausforderungen.
Alle 6 Monate fährt die Meeresbiologin Shafiya Naeem von der staatlichen Meeresschutzbehörde in Male´ an eines der Außenriffe der insgesamt 26 Malediven-Atolle, um regelmäßig das Wachstum und die Qualität der Korallenbänke zu kontrollieren. „Die Riffe sind die natürlichen Schutzbarrieren unseres Landes. Ohne sie sind wir den Wellen des offenen Meeres hilflos ausgeliefert.“
Knapp einen Meter nur liegen die 1196 Inseln im Durchschnitt über dem Meeresspiegel. Steigt das Wasser in Folge der globalen Klimaerwärmung weiter an, könnten die Malediven als erstes Land der Welt im Meer versinken. Noch sieht Meeresbiologin Shafiya Naeem dieser Bedrohung gelassen entgegen, denn ihre Nachforschungen zeigen, ein Großteil der Korallenbänke an den Riffen ist gesund und wächst mit dem ansteigenden Meeresspiegel. „Wenn sich jedoch die Wassertemperatur durch das Treibhausklima weiter erhöht, dann steht unser Land vor einer ähnlichen Katastrophe wie 1998.“ Damals sorgte das Wetterphänomen „El Nino“ für ein Ausbleichen und schließlich das Absterben von über 90% der Korallen in niedrigen Gewässern, als sich das Meer um bis zu 7 Grad auf maximal 35 Grad Celsius erwärmte.
Wir begleiten Shafiya Naeem zu der kanadischen Meeresbiologin Jillian Hudgins, die im bislang einzigen Meeresschutzgebiet der Malediven, dem Baa-Atoll, an der Züchtung widerstandsfähigerer Korallen arbeitet. Gemeinsam setzen die beiden Forscherinnen ein Metallgerüst mit Ablegern unterschiedlicher Korallenarten ins Wasser und begutachten den Zustand der über 1000 in den letzten 6 Jahren „gepflanzten“ künstlichen Korallenbäume.
Das Projekt gibt Shafiya Naeem Anlass zur Hoffnung, denn wie Jillians Forschungen zeigen, scheinen einige Korallenarten auch extreme Temperaturen über 30 Grad, wie zuletzt im Jahr 2010, gut zu verkraften. Kaum vorstellbar, sollte die einzigartige Unterwasserwelt der Malediven irgendwann nicht mehr der Lebensraum vieler außergewöhnlicher Meeresbewohner sein.
Im Ari-Atoll treffen wir auf einen engagierten Mahner für eine der am meisten bedrohten Tierartarten der Malediven: Walhaie. Jeden Tag fährt der britische Walhai-Forscher Richard Rees mit seinem Team auf einem „Dhoni“ ans Außenriff, wo stets bereits Dutzende Tauch- und Ausflugsboots auf der Suche nach den faszinierenden Walhaien patrouillieren. „Durch die Vielzahl an Booten, werden immer mehr Tiere verletzt“, klagt Richard Rees und zeigt seinem Gast an Bord Fotos verstümmelter Tiere. Um auf das wachsende Problem durch den Walhaitourismus aufmerksam zu machen, hat Richard Rees diesmal Umweltinspektor Rifath Naeem vom staatlichen Fischereiministerium auf sein Dhoni eingeladen. Das Problem vor Augen geführt, wird auch Rifath Naeem schnell bewusst, dass zum Schutz der Walhaie unbedingt gesetzliche Maßnahmen notwendig sind. Auch wenn die Verbote manch einem wohlhabenden Gast der Luxusessorts nicht gefallen dürften.
Die 22jährige Einheimische Sama arbeitet in einem dieser weltweit teuersten 5-Sterne-Hotels als Kindergärtnerin. Samas Heimatinsel Kamadhoo ist nur einen Kilometer entfernt. Jeden Nachmittag fährt sie mit dem Wassertaxi des Hotels nach Hause zu ihren Eltern, denn Sama macht sich große Sorgen um ihren Vater Waheed. Der 65jährige ist schwer krank und benötigt dringend eine Nierentransplantation. Ihren gesamten monatlichen Lohn von 250 Dollar spart Sama inzwischen für die mehrere Tausend Dollar teure Operation in Indien. Die Krankenhäuser in der Hauptstadt Male´ sind für besondere Krankheitsfälle nicht entsprechend ausgerüstet.
Reformen im Gesundheitssystem sind längst überfällig im großflächigen Inselstaat Malediven. Nur wenige der knapp 200 bewohnten Inseln verfügen über ein Krankenhaus bzw. über die Möglichkeit einer qualifizierten medizinischen Versorgung. Auch die steigende Arbeitslosigkeit auf den entlegenen Inseln wird zunehmend zum Problem.
Mit großen Erwartungen haben die Bewohner der Malediven im Jahr 2008 bei den ersten demokratischen Wahlen des Landes den jungen Hoffnungsträger Mohamed Nasheed zum Präsidenten gewählt. Drei Jahre später erleben wir während unserer Dreharbeiten innerhalb einer Woche den rasanten Sturz des volksnahen Politikers, dessen innenpolitische Fehler ihm kurzerhand zum Verhängnis wurden.
Wie geht es politisch weiter in dem zu 100% islamischen Land und seinen knapp 400.000 muslimischen Bewohnern? An einen religiösen Umsturz radikaler Islamisten glaubt Thunfischer Ibrahim Najeeb von Addu, dem südlichsten Atoll der Malediven, nicht. „Wir sind moderate Moslems, nicht wie im Iran oder anderen Ländern der arabischen Welt“, sagt Ibrahim nach dem traditionellen Freitagsgebet. Beim anschließenden Mittagessen in Ibrahims Haus ist jedoch die junge, von Mohamed Nasheed im Jahr 2008 ins Leben gerufene Demokratie Gesprächsthema am Esstisch. Ibrahims Schwester Leesha, eine Lehrerin auf Addu, befürchtet einen Rückfall in alte Zeiten, als vor der Ära Nasheeds das totalitäre Regime von Ex-Machthaber Gayoom 30 Jahre lang das Volk kontrollierte.
Für die Touristen in den sündhaft teuren Luxusressorts wie dem „Conrad Rangali“ im Ari-Atoll wird sich nach Meinung des deutschen Hotelmanagers Carsten Schieck auch in Zukunft nichts ändern. Die vor einiger Zeit diskutierten und von der Politik geforderten Alkohol- und Wellnessverbote sind längst wieder vom Tisch. Zu groß ist der Profit mit den Gästen aus aller Welt, die Malediven leben zu 95% von den Einkünften aus dem Tourismus.
PRODUKTION
Buch & Regie: Markus Henssler
Kamera: Sebastian Georgi
Unterwasserkamera: Daniel Alonso, Thomas Badstuebner
Ton, Kranoperator: Alexander Ott
Schnitt: Birgit Oschwald
Produzent: Jürgen Killenberger
Producer: Shafiya Naeem
Produktionsleitung SWR: Wolfgang Kunrath
Redaktion SWR: Susanne Sterzenbach
Sprecher: Johannes Wördemann, Moritz Brendel, Mareike Schmidts, Sabine Gronau, Helge Sidow, Frank Streichfuß
Grafik: Stefan Mayer Design
Tonmischung: Tonstudio Mertens
Farbkorrektur: Timeline Studios
Länge: 45 Minuten
Eine Produktion der BildManufaktur im Auftrag des SWR.
Weitere Informationen
Sendetermine
SWR: SO, 20.05.2012 17:15 Uhr













