Die Toten können bald nicht mehr gezählt werden. Zu Hunderttausenden fliehen Menschen aus den umkämpften Gebieten. Die syrische Regierung versucht mit aller Brutalität den Aufstand im eigenen Land niederzuschlagen, lässt aus Hubschraubern und Kampfjets in Wohnviertel schießen. Aber auch die Opposition greift inzwischen zu immer brutaleren Mitteln. Auch ihr werden Massaker vorgeworfen. Syrien versinkt in Gewalt.
„Assads Männer.“ Zwei Drohworte, jeder kennt ihre Bedeutung: Assads Männer waren hier, in diesem Dorf. Panzerspuren im Asphalt. Ein Auto – einfach überrollt und platt gemacht. Assads Männer waren hier. Und sie können jederzeit wiederkommen! Fünfzig Meter weiter – Blutspuren in einem Hauseingang. Einschusslöcher. Nachbarn erzählen uns, Assads Männer seien gekommen und hätte die Bewohner des Hauses erschossen. Warum? Vielleicht standen sie der Opposition nahe. Vielleicht standen sie auch nur im Weg. Als Täter nennen sie immer wieder die Shabiha-Miliz. Das ist jene Einheit fürs Grobe, der die meisten Morde an der Zivilbevölkerung angelastet wird.
Das Haus gleich daneben – ausgebrannt. Auch hier soll es Tote gegeben haben. Das Syrische Staatsfernsehen behauptet, die Armee habe gegen eine Übermacht von Rebellen kämpfen müssen, dabei seien die Menschen, Zivilisten wie Aufständische, ums Leben gekommen. Von fünfzig sprechen die offiziellen Medien, von weit über 80 die Menschen hier. Nachprüfen können wir diese Angaben nicht. Sicher ist nur: Assads Männer waren hier. Dscheidet Artus in der Nähe von Damaskus – eine kleine Ortschaft, in der die Menschen immer wieder gegen Assad demonstriert hatten. Die Assad-feindlichen Parolen inzwischen übersprüht. 20.000 Menschen sollen hier bis vor einem Jahr gelebt haben, heute sind die meisten irgendwohin geflohen, zu Verwandten, ins Ausland.
Zurück in die Hauptstadt. Damaskus, Straßensperren an jeder wichtigen Kreuzung, Ausweiskontrollen. Uns gegenüber immer freundlich. Aber wehe, es macht sich einer verdächtig.
Abdel Aziz Al Khair, Oppositioneller seit Jahrzehnten, auch er ein ehemaliger politischer Gefangener. Einer der führenden Köpfe der Opposition in Damaskus. Die Hoffnung auf einen friedlichen Wandel hat er spätestens seit dem Rücktritt Annans diese Woche begraben. Syrien sei nicht mehr in Lage sich selber zu retten, sagt er. „Nur wenn die Supermächte, Russland und die USA sich auf eine gemeinsame Linie einigen, dann sehe ich eine Möglichkeit, die syrischen Parteien unter Druck zu setzen“, sagt Abdel Aziz Al Khair. „Die bewaffnete Opposition setzt auf Gewalt, das Regime ohnehin.“
Einstweilen geben sich Assads Männer als Sieger. Diese Spezialeinheit hatte gestern einen Vorort von Damaskus zurückerobert. Mit Panzern gegen Kalaschnikows. Ihr General verkündet stolz, Damaskus sei endgültig gesäubert von den Terroristen. Damaskus sei wieder sicher. Als nächstes sei Aleppo dran. „Assad, wir opfern unser Blut für Dich!“ Ein Ende der Gewalt in Syrien ist nicht abzusehen.
Produktion
Produktionsdatum: Juli 2012
Redaktion: Jörg Armbruster
Kamera: Jürgen Killenberger
Schnitt: Nik Nagel
ARD-Studio Kairo / BildManufaktur Kairo
Sendetermin
ARD: SO, 05.08.2012 00:55

